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Voltaire: Kandide. Erster Theil

sodann Kapellsänger bei Ihro Durchlaucht, der Fürstin von Palästrina.

Bei meiner Mutter, schriee ich! Bei Ihrer Frau Mutter! rief er: und Thränen schossen über seine Wangen. So wären Sie die junge Prinzessin Aurora, die ich bis in’s sechste Jahr erzogen, bei der damals all’ die Reize in der Knospe lagen, die ich bei Ihnen in so voller, schimmernder Blüte sehe! Sind Sie’s denn wirklich! „Wirklich! und meine Mutter liegt vierhundert Schrit von hier unter einem Haufen von Todten geviertheilt!“

Ich erzält ihm all’ meine Begebnisse, und er mir die seinigen, er sagte mir, eine gewisse christliche Macht hab’ ihn nach Marokko gesandt, um mit diesem Monarchen einen Traktat zu schliessen, mittelst dessen man ihm Pulver, Kanonen und Schiffe zu liefern versprach, damit er um so leichter der Handlung der übrigen christlichen Mächte das Garaus machen könnte. Mein Auftrag ist beendigt, sagte der galante Hämmling[1] zu mir, ich schiffe mich zu Ceuta ein, und bringe Sie nach Italien zurük. Ma sche sciagura d’essere senza coglioni.

Ich vergos Thränen des innigsten Danks für all’ das, was er an mir gethan hatte, und noch thun wollte. Er brachte mich nicht nach


  1. Hämmling. In der alten Sprache ein Verschnittener.
Empfohlene Zitierweise:
Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_060.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)