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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Italien, sondern nach Algier, und verkaufte mich an den dortigen Dei. Kaum war ich verkauft, als die Pest, die nachher Afrika, Asien und Europa durchzogen hat, in Algier zu toben begann. Erdbeben haben Sie schon gesehn, doch die Pest wohl nie gehabt, Barones? Nie, antwortete Kunegunde.

Sonst würden Sie mir einräumen müssen, daß Erdbeben, dagegen gerechnet, gar nichts sagen wil. In Afrika ist sie gäng und gebe: sie verschonte mich auch nicht. Stellen Sie sich nun die Lage vor, worin sich die funfzehnjährige Tochter eines Pabsts befand! In Einem Vierteljahre hatte sie Geliebten verloren, und Freiheit, war fast täglich geschändet worden, hatte immer Hungertod und Kriegsgetümmel vor Augen gehabt, und sollte jezt an der Pest sterben.

Ich kam demungeachtet glüklich davon, allein mein Kastrat ging drauf, und der Dei und fast der ganze Algierische Serail. Als diese fürchterliche Pest eine kleine Pause gemacht, wurden die Sklaven des Deis verkauft. Ein Kaufman erhandelte mich, und nam mich nach Tunis, wo er mich einem seiner Kollegen überlies. Dieser verkaufte mich nach Tripolis, von Tripolis wurd’ ich nach Alexandrien verkauft, von Alexandrien nach Smirna, von Smirna nach Konstantinopel.

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_061.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)