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Voltaire: Kandide. Erster Theil

und fand sie nirgends. Meinen Vater, meine Mutter, mich, die Leichname von zwei Mägden und drei kleinen Buben warf man auf einen Karrn, um uns nach einer Jesuiterkapelle zu führen, die zwei Meilen von meines Vaters Schlosse lag.

Ein Jesuit besprengte uns mit Weihwasser; es war salzig wie all’ der Teufel; einige Tropfen davon sprüzten mir in’s Auge: der Pater merkte, daß meine Augenlieder etlichemal zukten. Er legte die Hand auf mein Herz, und fühlte es schlagen. Die geschiktesten Wundärzte verwandten ihre Kunst an mir, und binnen drei Wochen war ich wieder völlig auf den Beinen.

Ein recht hübscher Junge war ich immer, wie Ihr wisst Kandide; jezt hatte ich ganz die lachende, blühende Gestalt von Gott Amor. Auch ward der ehrwürdige Pater Krust, der dortige Superior, mein sehr warmer Freund; kleidete mich ein, und sandte mich nicht lange darauf nach Rom. Der Pater General warb damals junge Teutsche Jesuiten an. Höchst ungern nemen die Paraguaischen Monarchen Spanier; Ausländer weit lieber; sie denken sie eher lenken und bändigen zu können.

Der ehrwürdige Pater General fand mich tüchtig, ein Arbeiter in diesem Weinberge des Herrn zu werden. Ich reiste mit einem Tiroler und Polen hieher. Gleich nach meiner Ankunft

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_080.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2021)