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Voltaire: Kandide. Erster Theil

man bei uns zu sagen. Ich kann freilich keinen Ausländer wider seinen Willen in meinem Reiche behalten; das wäre Tirannei, und die entspricht weder unsern Sitten noch Gesezen. Der Mensch ist ein freies Geschöpf. Reist, wenn Ihr wollt, aber das müsst Ihr wissen, es wird Euch ziemlich schwer fallen, aus meinem Reiche zu kommen.

Gegen den reissenden Strom, der durch die Felskluft schiest, und den Ihr durch ein wahres Wunderwerk passiert seid, an zu fahren, ist platt unmöglich. Die Grenzgebirge meines Reichs sind zehntausend Fus hoch und thurmgrade; jeglicher Berg beträgt im Umfange mehr als zehn Meilen: jenseits sind tiefe Abgründe. Indes, da Ihr auf Eurer Abreise besteht, will ich meinem Oberbaudirektor anbefehlen, eine Maschine verfertigen zu lassen, die Eure Fahrt erleichtern soll. Geleitsmänner kann ich Euch nicht geben, wenn Ihr erst über die Gebürge seid! Denn meine Unterthanen haben feierlich angelobt, nie ihre Hütt’ und Heerd zu verlassen, und sind zu weise, dagegen zu handeln. Sonst könnt Ihr fordern, was Ihr wollt.

Dürfen wir das? sagte Kakambo. Nu wohl, Ihro Majestät, so erbitten wir uns von Ihnen eenige Hämmel mit Lebensmitteln, Kieselsteinen und Kot beladen. Sonderbare Geschöpfe Ihr Europäer! ich begreife Euch gar

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)