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Voltaire: Kandide. Erster Theil

und Verzweiflung in einer belagerten Stadt es thun können. Herzenskummer ist noch härter, marternder, als das allgemeine Elend. Mit Einem Wort, ich habe so viel gesehn, so viel erlitten, daß ich Manichäer geworden bin.

Kandide. Doch giebt’s noch viel Gutes in der Welt.

Martin. Kann sein, bis dato ist mir’s aber noch nicht zu Gesicht gekommen.

In dem Gekrette, das sich hierüber anspann, waren sie noch nicht weit, als sie einige Kanonenschüsse hörten. Jeden Augenblik wurden die Schüsse heftiger. Sie namen ihre Sehröhre, und wurden in einer Entfernung von ungefähr drei Meilen zwei Schiffe gewahr, die auf einander losfeuerten. Der Wind führte sie alle beide dem Französischen Schiffe so nahe, daß man das Treffen ganz gemächlich ansehn konnte. Endlich gab das eine Schif dem andern so die volle Lage, daß es gleich untersank. Kandide und Martin erblikten auf dem Verdek des untergehenden Schifs hundert Menschen, die unter erbärmlichem Zetergeschrei die Hände gen Himmel emporhuben, und im Hui war alles verschlungen.

Nun sehn Sie, so handelt der Mensch gegen seinen Bruder! sagte Martin. Wirklich dies Verfahren hat was Teuflisches! versezte Kandide. Bei diesen Worten ward er etwas

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_121.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2021)