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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Dies allerliebste Männchen begann damit, daß er Kandiden und Martinen in die Komödie führte. Man gab ein neues Trauerspiel. Kandide sas bei einigen schönen Geistern. Demungeachtet wein’t er in einigen meisterhaft gespielten Scenen. Einer von den neben ihm sizenden Krittlern sagte in einem Zwischenakte: Sie vergiessen ohn’ alle Ursach Thränen, mein Herr. Die Schauspielerin ist erbärmlich, ihr Mitspieler noch erbärmlicher, und das Stük noch weit erbärmlicher wie die Schauspieler. Die Scene liegt in Arabien, und doch versteht der Verfasser kein Wort Arabisch; glaubt überdies nicht einmal an angeborne Ideen, der elende Wicht! Morgen will ich Ihnen zwanzig Traktätchen mitbringen, alle gegen den Dramatifex gerichtet.

Wieviel dramatische Stükke haben Sie wohl in Frankreich! frug Kandide den Abee. Fünf bis sechstausend, antwortete er. Viel; und wieviel gute darunter? sagte Kandide. Funfzehn, erwiderte jener. Noch immer viel! versezte Martin.

Kandide gefiel eine Schauspielerin sehr, welche die Königin Elisabet in dem ziemlich platten Trauerspiel dieses Namens machte, das wohl unterweilen gegeben wird. Ein recht brav Mädel die Aktrize, sagt’ er zum Martin. Sie

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_130.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2021)