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Voltaire: Kandide. Erster Theil

hat etwas von Barones Kunegunden an sich; ich möcht’ ihr gern mein Kompliment machen. Abee Perigourdin war gleich mit dem Anerbieten bei der Hand, ihn bei ihr einzuführen. Kandide, in Teutschland geboren und erzogen, fragte, was hiesige Etikette sei, und wie man in Frankreich den Königinnen von England begegnete.

In der Provinz, Herr Baron, antwortete der Abee, führt man sie in’s Wirtshaus, zu Paris hält man sie in hohen Ehren und Würden, wenn sie schön sind; sterben sie, so wirft man sie auf den Schindanger. Königinnen auf den Schindanger? sagte Kandide. Ja warlich! der Herr Abee hat Recht, sagte Martin; ich war zu Paris, als Demoiselle Monime das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselte, wie man zu sagen pflegt; man verweigerte ihr, was die Leute hier zu Lande, ein ehrliches Begräbnis nennen, das heisst, man wollte sie nicht mit all’ den Bettlern aus Einem Stadtviertel auf Einem lumpichten Kirchhof zusammen vermodern lassen; ihre Bande verscharrte sie an einer Ekke der Rue de Bourgogne, ganz allein; das mus ihrem armen Seelchen mehr denn die folterndste Höllenpein sein, denn es war immer ein sehr nobeldenkendes Mädchen gewesen.

Sehr ungeschliffen! sagte Kandide. Was zu thun? antwortete Martin. Die Leute

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_131.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)