Seite:Kandide (Voltaire) 136.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Voltaire: Kandide. Erster Theil

hab’ ich noch nie gesehn; die Sündflut von abscheulichen Schriften, womit wir überschwemmt sind, die einem ganz bis an’s Kinn dringt, verekelt einem alles Bücherlesen dermaassen, daß ich mich auf’s Pointiren gelegt habe. Und was sagen Sie zu den vermischten Schriften des Archidiakonus T…? fragte der Abee.

Ein unausstehliches Geschöpf! rief die Frau von Parolignac. Wohlbekannte alltägliche Dinge kramt er mit der geheimnisvollsten Mine aus; was nur einer hingeworfnen Bemerkung bedarf, erörtert er aufs weitschweifigste und schwerfälligste; ohn’ einen Funken Wiz zu haben, eignet er sich andrer Leute ihren zu; was er stiehlt, verdirbt er durch den Senf, den er darüber schüttet. Der Mann macht mich ganz wild! Doch er soll’s nicht mehr. Mehr denn zuviel, wenn man vom Herrn Archidiakonus ein Paar Seiten gelesen!

Ein Mann von Gelehrsamkeit und Geschmak, der sich mit an der Tafel befand, bekräftigte das Urtheil der Marquise. Man kam nachher auf die Trauerspiele. Die Dame fragte, woher es käme, daß manche Trauerspiele in der Vorstellung etwas thäten, im Lesen aber nicht auszuhalten wären?

Der Mann von Geschmak sezte es sehr gut auseinander, wie ein Stük etwas Anziehendes

Empfohlene Zitierweise:
Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_136.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)