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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Kandide disputirte hierüber mit ihm, aber mit vieler Bescheidenheit, Martin aber war völlig der Meinung des Senator’s.

Man sezte sich zur Tafel, und nam ein prächtiges Mittagsmahl ein. Wie man abgespeist hatte, ging man in Pococuranté’s Bibliothek. Kandiden fiel ein prächtiggebundner Homer in’s Auge, und er machte dem Illustrissimo über seinen Geschmak ein Kompliment. An diesem Werke, rief er, weidete sich der grosse Panglos, der beste Philosoph in ganz Teutschland. Und ich mich nicht im geringsten, sagte Pococuranté ganz kalt. Ehmals wollte man mich bereden, ich fände an dessen Lektüre Vergnügen. Allein das ewige Vorgeleier von Schlachten, die sich ähnlich sehn, wie’n Ei dem andern; diese Götter, die in einem fort handeln, und doch nichts Entscheidendes zu Stande bringen; jene Helena, die den ganzen Krieg angesponnen hat, und die sich fast immer hinter der Kulisse hält; jenes Troja, das man immer belagert, und niemals einnimmt: alles das wurmte mir so sehr, daß ich den Bettel in den Kamin werfen wollte. Ich fragte manchmal Gelehrte, ob sie nicht eben so viel Langeweile bei dem alten Saalbader empfänden. Wer offenherzig war, gestand mir, es ging’ ihm nicht besser; doch müsste man ihn immer in seiner Bibliothek haben,

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg.: , 1782, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_164.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)