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Voltaire: Kandide. Erster Theil

zu dürfen, was man denkt, sagte Pococuranté, das ist das Vorrecht des Menschen. Allein in unserm ganzen Italien schreibt man blos, was man nicht denkt; die jezigen Bewoner der Gegenden, wo die Cäsars und die Antonine herrschten, dürfen sich nicht unterstehn, einen Gedanken zu haben, wenn’s ein Dominikaner nicht erlaubt. Wie gesagt, ich wäre sehr mit der Freiheit zufrieden, die den genievollen Britten begeistert, wenn nicht Leidenschaft und Partheigeist alles verdürben, was diese köstliche Freiheit Schäzbares hat.

Kandide ward einen Milton gewahr, und fragte, ob er nicht diesen Dichter für einen grossen Mann hielte? „Ich, den Barbaren, der über das erste Kapitel des ersten Buchs Mose in zehn Büchern rauher Verse einen weitschweifigen Kommentar gemacht hat? Den plumpen Nachäffer der Griechen, der die Schöpfungsgeschichte ganz verhunzt hat, der, indem Moses den Allmächtigen schildert, wie er durch ein Werde die Welt hervorwinkt, seinen Messias einen grossen Kompas aus einem Wandschranke des Himmels hervorholen lässt, um einen Ris seines Weltgebäudes zu entwerfen? Ich, ihn schäzen, der Tasso’s Höll’ und Teufel verpfuscht hat, der den Lucifer bald in eine Kröte, bald in einen Zwerch verkappt, der ihn die Leier immer

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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_168.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)