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Voltaire: Kandide. Erster Theil

Über diesen Vorfall fingen sie stärker an zu philosophiren, denn je. Sie hatten in der Nachbarschaft einen weit berühmten Dervisch,[1] der für den besten Philosophen in der ganzen Türkei gehalten wurde; zu dem gingen sie und fragten ihn um Rat. Panglos war Sprecher. Wir kommen zu Dir Meister, um von Dir zu erfahren, wozu das sonderbare Geschöpf, Mensch genant, ist geschaffen worden?

Was kümmert Dich das? sagte der Dervisch. Ist das Deine Sache? Allein wohlehrwürdiger Vater, hub Kandide an, es gibt gräsliches Elend auf Erden. Ob Elend oder Glük, gleichviel! antwortete der Dervisch. Wenn Ihro Kaiserliche Majestät ein Schif nach Ägypten sendet, kümmert Sie sich wohl darum, ob’s den Ratten und Mäusen im Schifsboden behäglich ergeht, oder nicht? Was soll man also machen? fragte Panglos. Schweigen! erwiederte der Dervisch. „Ich machte mir Hofnung, über Wirkungen und Ursachen, über die beste der möglichsten Welten, über den Ursprung des Übels, über die Beschaffenheit der Seele und der vorherbestimmten Harmonie mich mit Dir zu unterreden.“ Bei dieser Rede vom


  1. Derwische, oder Dervise, Mönche der Türken.
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Voltaire: Kandide. Erster Theil. Berlin: Christian Friedrich Himburg. 1782, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kandide_(Voltaire)_199.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)