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59 Einleitung. 59

Wahrheit gerade diesen Inhalt angeht, es ganz unmöglich und ungereimt sey, nach einem Merkmale der Wahrheit dieses Inhalts der Erkentnisse zu fragen, und daß also ein hinreichendes, und doch zugleich allgemeines Kennzeichen der Wahrheit unmöglich angegeben werden könne. Da wir oben schon den Inhalt einer Erkentniß die Materie derselben genant haben, so wird man sagen müssen: von der Wahrheit der Erkentnis der Materie nach läßt sich kein allgemeines Kennzeichen verlangen, weil es in sich selbst widersprechend ist.

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 Was aber das Erkentniß der blossen Form nach (mit Beyseitesetzung alles Inhalts) betrift, so ist eben so klar: daß eine Logik, so fern sie die allgemeine und nothwendige Regeln des Verstandes vorträgt, eben in diesen Regeln Criterien der Wahrheit darlegen müsse. Denn, was diesen widerspricht, ist falsch, weil der Verstand dabey seinen allgemeinen Regeln des Denkens, mithin sich selbst widerstreitet. Diese Criterien aber betreffen nur die Form der Wahrheit, d. i. des Denkens überhaupt und sind so fern ganz richtig, aber nicht hinreichend. Denn obgleich eine Erkentniß der logischen Form völlig gemäß seyn möchte, d. i. sich selbst nicht widerspräche, so kan sie doch noch immer dem Gegenstande widersprechen. Also ist das blos logische Criterium der Wahrheit, nemlich die Uebereinstimmung einer Erkentniß mit den allgemeinen und formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zwar die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller

Wahr-
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 059. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_059.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)