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68 Elementarl. II. Th. I. Abth. I.Buch. I. Hauptst. 68

theilhaftig werden. Also ist der Verstand kein Vermögen der Anschauung. Es giebt aber, ausser der Anschauung, keine andere Art zu erkennen, als durch Begriffe. Also ist die Erkentniß eines ieden, wenigstens des menschlichen Verstandes, eine Erkentniß durch Begriffe, nicht intuitiv, sondern discursiv. Alle Anschauungen, als sinnlich, beruhen auf Affectionen, die Begriffe also auf Functionen. Ich verstehe aber unter Function, die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen. Begriffe gründen sich also auf der Spontaneität des Denkens, wie sinnliche Anschauungen auf der Receptivität der Eindrücke. Von diesen Begriffen kan nun der Verstand keinen andern Gebrauch machen, als daß er dadurch urtheilt. Da keine Vorstellung unmittelbar auf den Gegenstand geht, als blos die Anschauung, so wird ein Begriff niemals auf einen Gegenstand unmittelbar, sondern auf irgend eine andre Vorstellung von demselben, (sie sey Anschauung oder selbst schon Begriff), bezogen. Das Urtheil ist also die mittelbare Erkentniß eines Gegenstandes, mithin die Vorstellung einer Vorstellung desselben. In iedem Urtheil ist ein Begriff, der vor viele gilt, und unter diesem Vielen auch eine gegebene Vorstellung begreift, welche leztere denn auf den Gegenstand unmittelbar bezogen wird. So bezieht z. B. in dem Urtheile: alle Cörper sind veränderlich, der Begriff des Theilbaren auf verschiedene andre Begriffe; unter diesen aber wird er hier besonders auf den Begriff des Cörpers

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 068. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_068.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)