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107 II. Absch. Gründe zur Möglichkeit der Erfahr. 107

Das Bewustseyn seiner selbst, nach den Bestimmungen unseres Zustandes, bey der innern Wahrnehmung ist blos empirisch, iederzeit wandelbar, es kan kein stehendes oder bleibendes Selbst in diesem Flusse innrer Erscheinungen geben, und wird gewöhnlich der innre Sinn genant, oder die empirische Apperception. Das was nothwendig als numerisch identisch vorgestellt werden soll, kan nicht als ein solches durch empirische Data gedacht werden. Es muß eine Bedingung seyn, die vor aller Erfahrung vorhergeht, und diese selbst möglich macht, welche eine solche transscendentale Voraussetzung geltend machen soll.

 Nun können keine Erkentnisse in uns statt finden, keine Verknüpfung und Einheit derselben unter einander, ohne dieienige Einheit des Bewustseyns, welche vor allen Datis der Anschauungen vorhergeht, und, worauf in Beziehung, alle Vorstellung von Gegenständen allein möglich ist. Dieses reine ursprüngliche, unwandelbare Bewustseyn will ich nun die transscendentale Apperception nennen. Daß sie diesen Namen verdiene, erhellet schon daraus: daß selbst die reineste obiective Einheit, nemlich die der Begriffe a priori (Raum und Zeit) nur durch Beziehung der Anschauungen auf sie möglich seyn. Die numerische Einheit dieser Apperception liegt also a priori allen Begriffen eben so wol zum Grunde, als die Mannigfaltigkeit des Raumes und der Zeit den Anschauungen der Sinnlichkeit.

Eben
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_107.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)