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126 Elementarl. II. Th. I. Abth. I.Buch. II. Hauptst. 126

der Möglichkeit seyn, überhaupt ein Obiect in der Erfahrung zu erkennen.

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 Wir haben den Verstand oben auf mancherley Weise erklärt: durch eine Spontaneität der Erkentniß, (im Gegensatz der Receptivität der Sinnlichkeit) durch ein Vermögen zu denken, oder auch ein Vermögen der Begriffe, oder auch der Urtheile, welche Erklärungen, wenn man sie beym lichten besieht, auf eins hinauslaufen. Jezt können wir ihn als das Vermögen der Regeln characterisiren. Dieses Kennzeichen ist fruchtbarer und tritt dem Wesen desselben näher. Sinnlichkeit giebt uns Formen, (der Anschauung) der Verstand aber Regeln. Dieser ist iederzeit geschäftig, die Erscheinungen in der Absicht durchzuspähen, um an ihnen irgend eine Regel aufzufinden. Regeln, so fern sie obiectiv sind, (mithin der Erkentniß des Gegenstandes nothwendig anhängen) heissen Gesetze. Ob wir gleich durch Erfahrung viel Gesetze lernen, so sind diese doch nur besondere Bestimmungen noch höherer Gesetze, unter denen die höchsten, (unter welchen andere alle stehen) a priori aus dem Verstande selbst herkommen, und nicht von der Erfahrung entlehnt sind, sondern vielmehr den Erscheinungen ihre Gesetzmäßigkeit verschaffen, und eben dadurch Erfahrung möglich machen müssen. Es ist also der Verstand nicht blos ein Vermögen, durch Vergleichung der Erscheinungen sich Regeln zu machen: er ist selbst die Gesetzgebung vor die Natur, d. i. ohne Verstand würde es überall nicht Natur, d. i. synthetische Einheit

des
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_126.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)