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172 Elementarl. II. Th. I. Abth. II.Buch. II. Hauptst. 172

welche auf gewisse Grunderfahrungen gebauet ist, nicht vorgreifen.

 Gleichwol mangelt es uns nicht an Beweisthümern des grossen Einflusses, den dieser unser Grundsatz hat, Wahrnehmungen zu anticipiren, und so gar deren Mangel so fern zu ergänzen, daß er allen falschen Schlüssen, die daraus gezogen werden möchten, den Riegel vorschiebt.

 Wenn alle Realität in der Wahrnehmung einen Grad hat, zwischen dem und der Negation eine unendliche Stufenfolge immer minderer Grade statt findet, und gleichwol ein ieder Sinn einen bestimten Grad der Receptivität der Empfindungen haben muß, so ist keine Wahrnehmung, mithin auch keine Erfahrung möglich, die einen gänzlichen Mangel alles Realen in der Erscheinung, es sey unmittelbar oder mittelbar, (durch welchen Umschweif im Schlüssen, als man immer wolle) bewiese, d. i. es kan aus der Erfahrung niemals ein Beweis vom leeren Raume oder einer leeren Zeit gezogen werden. Denn der gänzliche Mangel des Realen in der sinnlichen Anschauung kan erstlich selbst nicht wahrgenommen werden, zweytens kan er aus keiner einzigen Erscheinung und dem Unterschiede des Grades ihrer Realität gefolgert, oder darf auch zur Erklärung derselben niemals angenommen werden. Denn wenn auch die ganze Anschauung eines bestimten Raumes oder Zeit durch und durch real, d. i. kein Theil derselben leer ist; so muß es doch, weil iede Realität ihren Grad hat, der, bey unveränderter extensiven Grösse der

Er-
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_172.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)