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234 Elementarl. II. Th. I. Abth. II.Buch. II. Hauptst. 234

sie es nur subiectiv, d. i. sie fügen zu dem Begriffe eines Dinges, (realen) von dem sie sonst nichts sagen, die Erkentnißkraft hinzu, worin er entspringt und seinen Sitz hat, so, daß, wenn er blos im Verstande mit den formalen Bedingungen der Erfahrung in Verknüpfung ist, sein Gegenstand möglich heißt, ist er mit der Wahrnehmung (Empfindung, als Materie der Sinne) im Zusammenhange, und durch dieselbe vermittelst des Verstandes bestimt, so ist das Obiect wirklich; ist er durch den Zusammenhang der Wahrnehmungen nach Begriffen bestimt, so heißt der Gegenstand nothwendig. Die Grundsätze der Modalität also sagen von einem Begriffe nichts anders, als die Handlung des Erkentnißvermögens, dadurch er erzeugt wird. Nun heißt ein Postulat in der Mathematik der practische Satz, der nichts als die Synthesis enthält, wodurch wir einen Gegenstand uns zuerst geben, und dessen Begriff erzeugen, z. B. mit einer gegebenen Linie, aus einem gegebenen Punct auf einer Ebene einen Cirkel zu beschreiben, und ein dergleichen Satz kan darum nicht bewiesen werden, weil das Verfahren, was er fordert, gerade das ist, wodurch wir den Begriff von einer solchen Figur zuerst erzeugen. So können wir demnach mit eben demselben Rechte die Grundsätze der Modalität postuliren, weil sie ihren Begriff von Dingen überhaupt nicht vermehren,[1]

son-

  1. Durch die Wirklichkeit eines Dinges setze ich freilich mehr, als die Möglichkeit, aber nicht in dem Dinge; [235] denn das kan niemals mehr in der Wirklichkeit enthalten, als was in dessen vollständiger Möglichkeit enthalten war. Sondern da die Möglichkeit blos eine Position des Dinges in Beziehung auf den Verstand (dessen empirischen Gebrauch) war, so ist die Wirklichkeit zugleich eine Verknüpfung desselben mit der Wahrnehmung.
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_234.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)