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239 III. Hauptst. Von dem Grunde d. Untersch. etc. 239

Erfahrung, bezogen wird. Daß aber überall nur der leztere statt finden könne, ersiehet man daraus. Zu iedem Begriff wird erstlich die logische Form eines Begriffs (des Denkens) überhaupt, und dann zweitens auch die Möglichkeit, ihm einen Gegenstand zu geben, darauf er sich beziehe, erfordert. Ohne diesen letztern hat er keinen Sinn, und ist völlig leer an Inhalt, ob er gleich noch immer die logische Function enthalten mag, aus etwanigen datis einen Begriff zu machen. Nun kan der Gegenstand einem Begriffe nicht anders gegeben werden, als in der Anschauung, und, wenn eine reine Anschauung noch vor dem Gegenstande a priori möglich ist, so kan doch auch diese selbst ihren Gegenstand, mithin die obiective Gültigkeit, nur durch die empirische Anschauung bekommen, wovon sie die blosse Form ist. Also beziehen sich alle Begriffe und mit ihnen alle Grundsätze, so sehr sie auch a priori möglich seyn mögen, dennoch auf empirische Anschauungen, d. i. auf data zur möglichen Erfahrung. Ohne dieses haben sie gar keine obiective Gültigkeit, sondern sind ein blosses Spiel, es sey der Einbildungskraft, oder des Verstandes, respective mit ihren Vorstellungen. Man nehme nur die Begriffe der Mathematik zum Beyspiele, und zwar erstlich in ihren reinen Anschauungen. Der Raum hat drey Abmessungen, zwischen zwey Puncten kan nur eine gerade Linie seyn etc. Obgleich alle diese Grundsätze, und die Vorstellung des Gegenstandes, womit sich iene Wissenschaft beschäftigt, völlig a priori im

Ge-
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_239.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)