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281 Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe. 281

widerspricht allem besondern, was unter ienem Begriff enthalten ist; (dictum de Omni et Nullo) es wäre aber ungereimt, diesen logischen Grundsatz dahin zu verändern, daß er so lautete: was in einem allgemeinen Begriffe nicht enthalten ist, daß ist auch in den besonderen nicht enthalten, die unter demselben stehen; denn diese sind eben darum besondere Begriffe, weil sie mehr in sich enthalten, als im allgemeinen gedacht wird. Nun ist doch wirklich auf diesen letzteren Grundsatz, das ganze intellectuelle System Leibnitzens erbauet: es fällt also zugleich mit demselben, samt aller aus ihm entspringenden Zweideutigkeit im Verstandesgebrauche.

 Der Satz des Nichtzuunterscheidenden gründete sich eigentlich auf der Voraussetzung: daß, wenn in dem Begriffe von einem Dinge überhaupt eine gewisse Unterscheidung nicht angetroffen wird, so sey sie auch nicht in den Dingen selbst anzutreffen, folglich seyn alle Dinge völlig einerley (numero eadem) die sich nicht schon in ihrem Begriffe (der Qualität oder Quantität nach) von einander unterscheiden. Weil aber bey dem blossen Begriffe von irgend einem Dinge von manchen nothwendigen Bedingungen einer Anschauung abstrahirt worden, so wird, durch eine sonderbare Uebereilung, das, wovon abstrahirt wird, davor genommen, daß es überall nicht anzutreffen sey, und dem Dinge nichts eingeräumt, als was in seinem Begriffe enthalten ist.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_281.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)