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299 Einleitung. 299

des Denkens zu bringen. Da ich iezt von dieser obersten Erkentnißkraft eine Erklärung geben soll, so finde ich mich in einiger Verlegenheit. Es giebt von ihr, wie von dem Verstande, einen blos formalen, d. i. logischen Gebrauch, da die Vernunft von allem Inhalte der Erkentniß abstrahirt, aber auch einen realen, da sie selbst den Ursprung gewisser Begriffe und Grundsätze enthält, die sie weder von den Sinnen, noch vom Verstande entlehnt. Das erstere Vermögen ist nun freilich vorlängst von den Logikern durch das Vermögen mittelbar zu schliessen (zum Unterschiede von den unmittelbaren Schlüssen, consequentiis immediatis) erklärt worden, das zweite aber, welches selbst Begriffe erzeugt, wird dadurch noch nicht eingesehen. Da nun hier eine Eintheilung der Vernunft in ein logisches und transscendentales Vermögen vorkomt, so muß ein höherer Begriff von dieser Erkentnißquelle gesucht werden, welcher beide Begriffe unter sich befaßt, indessen wir nach der Analogie mit den Verstandesbegriffen erwarten können: daß der logische Begriff zugleich den Schlüssel zum transscendentalen, und die Tafel der Functionen der ersteren zugleich die Stammleiter der Vernunftbegriffe an die Hand geben werde.

 Wir erkläreten, im erstern Theile unserer transscendentalen Logik, den Verstand durch das Vermögen der Regeln, hier unterscheiden wir die Vernunft von demselben dadurch, daß wir sie das Vermögen der Principien nennen wollen.

Der
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_299.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)