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322 Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch. 322

priori in dem ganzen Umfange seiner Bedingung bestimt wird. Den Satz: Caius ist sterblich, könte ich auch blos durch den Verstand, aus der Erfahrung schöpfen. Allein ich suche einen Begriff, der die Bedingung enthält, unter welcher das Prädicat (Assertion überhaupt) dieses Urtheils gegeben wird, (d. i. hier den Begriff des Menschen) und nachdem ich unter diese Bedingung, in ihrem ganzen Umfange genommen, (alle Menschen sind sterblich) subsumirt habe: so bestimme ich darnach die Erkentniß meines Gegenstandes (Caius ist sterblich).

 Demnach restringiren wir in der Conclusion eines Vernunftschlusses ein Prädicat auf einen gewissen Gegenstand, nachdem wir es vorher in dem Obersatz in seinem ganzen Umfange unter einer gewissen Bedingung gedacht haben, diese vollendete Grösse des Umfanges, in Beziehung auf eine solche Bedingung, heißt die Allgemeinheit (Vniversalitas). Dieser entspricht in der Synthesis der Anschauungen die Allheit (Vniversitas) oder Totalität der Bedingungen. Also ist der transscendentale Vernunftbegriff kein anderer, als der von der Totalität der Bedingungen zu einem gegebenen bedingten. Da nun das Unbedingte allein die Totalität der Bedingungen möglich macht und umgekehrt die Totalität der Bedingungen iederzeit selbst unbedingt ist: so kan ein reiner Vernunftbegriff überhaupt durch den Begriff des Unbedingten, so fern er einen Grund der Synthesis des Bedingten enthält, erklärt werden.

So
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_322.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)