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350 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. 350

alles Denken, auf das Ich, als das gemeinschaftliche Subiect, hat, dem es inhärirt, geschlossen. Wir würden auch, wenn wir es gleich darauf anlegten, durch keine sichere Beobachtung eine solche Beharrlichkeit darthun können. Denn das Ich ist zwar in allen Gedanken; es ist aber mit dieser Vorstellung nicht die mindeste Anschauung verbunden, die es von anderen Gegenständen der Anschauung unterschiede. Man kan also zwar wahrnehmen, daß diese Vorstellung bey allem Denken immer wiederum vorkömt, nicht aber, daß es eine stehende und bleibende Anschauung sey, worin die Gedanken (als wandelbar) wechselten.

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 Hieraus folgt: daß der erste Vernunftschluß der transscendentalen Psychologie uns nur eine vermeintliche neue Einsicht aufhefte, indem er das beständige logische Subiect des Denkens, vor die Erkentniß des realen Subiects der Inhärenz ausgiebt, von welchem wir nicht die mindeste Kentniß haben, noch haben können, weil das Bewustseyn das einzige ist, was alle Vorstellungen zu Gedanken macht, und worin mithin alle unsere Wahrnehmungen, als dem transscendentalen Subiecte, müssen angetroffen werden, und wir, ausser dieser logischen Bedeutung des Ich, keine Kentniß von dem Subiecte an sich selbst haben, was diesem, so wie allen Gedanken, als Substratum zum Grunde liegt. Indessen kan man den Satz: die Seele ist Substanz, gar wol gelten lassen, wenn man sich nur bescheidet: daß unser dieser Begriff nicht im mindesten weiter führe, oder irgend eine von den gewöhnli-

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_350.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)