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359 I. Hauptst. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft. 359

äusserer Erscheinungen nicht beygelegt werden können. Allein die Prädicate des innern Sinnes, Vorstellungen und Denken, widersprechen ihm nicht. Demnach ist selbst durch die eingeräumte Einfachheit der Natur die menschliche Seele von der Materie, wenn man sie (wie man soll) blos als Erscheinung betrachtet, in Ansehung des Substrati derselben gar nicht hinreichend unterschieden.

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 Wäre Materie ein Ding an sich selbst, so würde sie als ein zusammengeseztes Wesen von der Seele, als einem einfachen, sich ganz und gar unterscheiden. Nun ist sie aber blos äussere Erscheinung, deren Substratum durch gar keine anzugebende Prädicate erkant wird; mithin kan ich von diesem wol annehmen, daß es an sich einfach sey, ob es zwar in der Art, wie es unsere Sinne afficirt, in uns die Anschauung des Ausgedehnten und mithin Zusammengesezten hervorbringt, und daß also der Substanz, der in Ansehung unseres äusseren Sinnes Ausdehnung zukomt, an sich selbst Gedanken beywohnen, die durch ihren eigenen inneren Sinn mit Bewustseyn vorgestellt werden können. Auf solche Weise würde eben dasselbe, was in einer Beziehung körperlich heißt, in einer andern zugleich ein denkend Wesen seyn, dessen Gedanken wir zwar nicht, aber doch die Zeichen derselben in der Erscheinung, anschauen können. Dadurch würde der Ausdruck wegfallen, daß nur Seelen (als besondere Arten von Substanzen) denken; es würde vielmehr wie gewöhnlich heissen, daß Menschen

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 359. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_359.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)