Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 374.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
374 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. 374

was eine Wirklichkeit im Raume und der Zeit bezeichnet, nachdem sie auf die eine, oder die andere Art der sinnlichen Anschauung bezogen wird. Ist Empfindung einmal gegeben, (welche, wenn sie auf einen Gegenstand überhaupt, ohne diesen zu bestimmen, angewandt wird, Wahrnehmung heißt,) so kan durch die Mannigfaltigkeit derselben mancher Gegenstand in der Einbildung gedichtet werden, der ausser der Einbildung im Raume oder der Zeit keine empirische Stelle hat. Dieses ist ungezweifelt gewiß, man mag nun die Empfindungen, Lust und Schmerz, oder auch der äusseren, als Farben, Wärme etc. nehmen, so ist Wahrnehmung dasienige, wodurch der Stoff, um Gegenstände der sinnlichen Anschauung zu denken, zuerst gegeben werden muß. Diese Wahrnehmung stellt also, (damit wir diesmal nur bey äusseren Anschauungen bleiben) etwas Wirkliches im Raume vor. Denn erstlich ist Wahrnehmung die Vorstellung einer Wirklichkeit, so wie Raum die Vorstellung einer blossen Möglichkeit des Beysammenseyns. Zweitens wird diese Wirklichkeit vor dem äusseren Sinn, d. i. im Raume vorgestellt. Drittens ist der Raum selbst nichts anders, als blosse Vorstellung, mithin kan in ihm nur das als wirklich gelten, was in ihm vorgestellet[1] wird, und umgekehrt, was in ihm

gege-

  1. Man muß diesen paradoxen, aber richtigen Satz wol merken: daß im Raume nichts sey, als was in ihm vorgestellet wird. Denn der Raum ist selbst nichts anders, als Vorstellung, folglich was in ihm ist, muß in der [375]
Vor-
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_374.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)