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391 I. Hauptst. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft. 391

Nahmen Materie verstehen. Da nun niemand mit Grunde vorgeben kan, etwas von der transscendentalen Ursache unserer Vorstellungen äusserer Sinne zu kennen, so ist ihre Behauptung ganz grundlos. Wollten aber die vermeinte Verbesserer der Lehre vom physischen Einflusse, nach der gemeinen Vorstellungsart eines transscendentalen Dualism, die Materie, als solche, vor ein Ding an sich selbst (und nicht als blosse Erscheinung eines unbekanten Dinges) ansehen und ihren Einwurf dahin richten, zu zeigen: daß ein solcher äusserer Gegenstand, welcher keine andere Caussalität als die der Bewegungen an sich zeigt, nimmermehr die wirkende Ursache von Vorstellungen seyn könne, sondern daß sich ein drittes Wesen deshalb ins Mittel schlagen müsse, um, wo nicht Wechselwirkung, doch wenigstens Correspondenz und Harmonie zwischen beiden zu stiften: so würden sie ihre Widerlegung davon anfangen, das πρωτον ψευδος des physischen Einflusses in ihrem Dualismus anzunehmen, und also durch ihren Einwurf nicht sowol den natürlichen Einfluß, sondern ihre eigene dualistische Voraussetzung widerlegen. Denn alle Schwierigkeiten, welche die Verbindung der denkenden Natur mit der Materie treffen, entspringen ohne Ausnahme lediglich aus iener erschlichenen dualistischen Vorstellung: daß Materie, als solche, nicht Erscheinung, d. i. blosse Vorstellung des Gemüths, der ein unbekanter Gegenstand entspricht, sondern der Gegenstand an sich selbst sey, so wie er ausser uns und unabhängig von aller Sinnlichkeit existirt.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_391.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)