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395 I. Hauptst. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft. 395

Subiect selbst, nach demselben (im Tode) aufhören werde.

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 So ist denn also aller Streit über die Natur unseres denkenden Wesens und der Verknüpfung desselben mit der Cörperwelt lediglich eine Folge davon, daß man in Ansehung dessen, wovon man nichts weiß, die Lücke durch Paralogismen der Vernunft ausfüllt, da man seine Gedanken zu Sachen macht und sie hypostasirt, woraus eingebildete Wissenschaft, sowol in Ansehung dessen, der beiahend, als dessen, der verneinend behauptet, entspringt, indem ein ieder entweder von Gegenständen etwas zu wissen vermeint, davon kein Mensch einigen Begriff hat, oder seine eigene Vorstellungen zu Gegenständen macht, und sich so in einem ewigen Zirkel von Zweideutigkeiten und Widersprüchen herum drehet. Nicht, als die Nüchternheit einer strengen, aber gerechten Critik, kan von diesem dogmatischen Blendwerke, der so viele durch eingebildete Glückseligkeit, unter Theorien und Systemen, hinhält, befreien, und alle unsere speculative Ansprüche blos auf das Feld möglicher Erfahrung einschränken, nicht etwa durch schaalen Spott über so oft fehlgeschlagene Versuche, oder fromme Seufzer über die Schranken unserer Vernunft, sondern vermittelst einer nach sicheren Grundsätzen vollzogenen Gränzbestimmung derselben, welche ihr nihil ulterius mit grössester Zuverläßigkeit an die herculische Säulen heftet, die die Natur selbst aufgestellet hat, um die Fahrt unserer Vernunft nur so weit, als die stetig fortlaufende

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 395. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_395.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)