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424 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst. 424

nichts gewinnen kan, wenn ihm gleich gar nicht widerstanden würde, dieses Verfahren, sage ich, kan man die sceptische Methode nennen. Sie ist vom Scepticismus gänzlich unterschieden, einem Grundsatze einer kunstmässigen und scientifischen Unwissenheit, welcher die Grundlagen aller Erkentniß untergräbt, um, wo möglich, überall keine Zuverlässigkeit und Sicherheit derselben übrig zu lassen. Denn die sceptische Methode geht auf Gewißheit, dadurch, daß sie in einem solchen, auf beiden Seiten redlichgemeinten und mit Verstande geführten Streite, den Punct des Mißverständnisses zu entdecken sucht, um, wie weise Gesetzgeber thun, aus der Verlegenheit der Richter bey Rechtshändeln vor sich selbst Belehrung, von dem Mangelhaften und nicht genau Bestimten in ihren Gesetzen, zu ziehen. Die Antinomie, die sich in der Anwendung der Gesetze offenbaret, ist bey unserer eingeschränkten Weisheit der beste Prüfungsversuch der Nomothetik, um der Vernunft, die in abstracter Speculation ihre Fehltritte nicht leicht gewahr wird, dadurch auf die Momente in Bestimmung ihrer Grundsätze aufmerksam zu machen.

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 Diese sceptische Methode ist aber nur der Transscendentalphilosophie allein wesentlich eigen, und kan allenfals in iedem anderen Felde der Untersuchungen, nur in diesem nicht, entbehrt werden. In der Mathematik würde ihr Gebrauch ungereimt seyn; weil sich in ihr keine falsche Behauptungen verbergen und unsichtbar machen können,

indem
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_424.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)