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425 II. Absch. Die Antithetik der reinen Vernunft. 425

indem die Beweise iederzeit an dem Faden der reinen Anschauung, und zwar durch iederzeit evidente Synthesis fortgehen müssen. In der Experimentalphilosophie kan wol ein Zweifel des Aufschubs nützlich seyn, allein es ist doch wenigstens kein Mißverstand möglich, der nicht leicht gehoben werden könte, und in der Erfahrung müssen doch endlich die lezte Mittel der Entscheidung des Zwistes liegen, sie mögen nun früh oder spät aufgefunden werden. Die Moral kan ihre Grundsätze insgesamt auch in concreto zusamt den practischen Folgen, wenigstens in möglichen Erfahrungen geben, und dadurch den Mißverstand der Abstraction vermeiden. Dagegen sind die transscendentale Behauptungen, welche selbst über das Feld aller möglichen Erfahrungen hinaus sich erweiternde Einsichten anmassen, weder in dem Falle, daß ihre abstracte Synthesis in irgend einer Anschauung a priori könte gegeben, noch so beschaffen, daß der Mißverstand vermittelst irgend einer Erfahrung entdekt werden könte. Die transscendentale Vernunft also verstattet keinen anderen Probierstein, als den Versuch der Vereinigung ihrer Behauptungen unter sich selbst, und mithin zuvor des freien und ungehinderten Wettstreits derselben unter einander und diesen wollen wir aniezt anstellen[1].


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  1. Die Antinomien folgen einander nach der Ordnung der oben angeführten transscendentalen Ideen.
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_425.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)