Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 430.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Anmerkung zur ersten Antinomie.
I. zur Thesis

 Ich habe bey diesen einander widerstreitenden Argumenten nicht Blendwercke gesucht, um etwa (wie man sagt) einen Advocatenbeweis zu führen, welcher sich der Unbehutsamkeit des Gegners zu seinem Vortheile bedient, und seine Berufung auf ein mißverstanden Gesetz gerne gelten läßt, um seine eigene unrechtmässige Ansprüche auf die Widerlegung desselben zu bauen. Jeder dieser Beweise ist aus der Sache Natur gezogen und der Vortheil bey Seite gesezt worden, den uns die Fehlschlüsse der Dogmatiker von beiden Theilen geben könten.

 Ich hätte die Thesis auch dadurch dem Scheine nach beweisen können: daß ich von der Unendlichkeit einer gegebenen Grösse, nach der Gewohnheit der Dogmatiker, einen fehlerhaften Begriff voran geschikt hätte. Unendlich ist eine Grösse, über die keine grössere (d. i. über die darin enthaltene Menge einer gegebenen Einheit) möglich ist. Nun ist keine Menge die grösseste, weil noch immer eine, oder mehrere Einheiten hinzugethan werden können. Also ist eine unendliche gegebene Grösse, mithin auch eine, (der verflossenen Reihe sowol, als der Ausdehnung nach) unendliche Welt unmöglich: sie ist also beiderseitig begränzt. So hätte ich meinen Beweis führen können: allein dieser Begriff stimt nicht mit dem, was man unter einem unendlichen Ganzen versteht. Es wird dadurch nicht vorgestellt, wie groß es sey, mithin ist sein Begriff auch nicht der Begriff eines Maximum, sondern es wird dadurch nur

sein
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 430. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_430.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)