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500 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst. 500

nicht erkünstelt, sondern eine ganz natürliche Täuschung der gemeinen Vernunft. Denn durch dieselbe setzen wir (im Obersatze) die Bedingungen und ihre Reihe, gleichsam unbesehen, voraus, wenn etwas als Bedingt gegeben ist, weil dieses nichts andres, als die logische Foderung ist, vollständige Prämissen zu einem gegebenen Schlußsatze anzunehmen, und da ist in der Verknüpfung des Bedingten mit seiner Bedingung keine Zeitordnung anzutreffen; sie werden an sich, als zugleich gegeben, vorausgesezt. Ferner ist es eben so natürlich (im Untersatze) Erscheinungen als Dinge an sich und eben sowol dem blossen Verstande gegebene Gegenstände anzusehen, wie es im Obersatze geschah, da ich von allen Bedingungen der Anschauung, unter denen allein Gegenstände gegeben werden können, abstrahirte. Nun hatten wir aber hiebey einen merkwürdigen Unterschied zwischen den Begriffen übersehen. Die Synthesis des Bedingten mit seiner Bedingung und die ganze Reihe der lezteren (im Obersatze) führte gar nichts von Einschränkung durch die Zeit und keinen Begriff der Succeßion bey sich. Dagegen ist die empirische Synthesis und die Reihe der Bedingungen in der Erscheinung, (die im Untersatze subsumirt wird), nothwendig successiv und nur in der Zeit nach einander gegeben; folglich konte ich die absolute Totalität der Synthesis und der dadurch vorgestellten Reihe hier nicht eben so wol, als dort voraussetzen, weil dort alle Glieder der Reihe an sich (ohne Zeitbedingung) gegeben sind, hier aber nur durch den successiven

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 500. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_500.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)