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554 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst. 554

auch positiv, durch ein Vermögen bezeichnen, eine Reihe von Begebenheiten von selbst anzufangen, so, daß in ihr selbst nichts anfängt, sondern sie, als unbedingte Bedingung ieder willkührlichen Handlung, über sich keine der Zeit nach vorhergehende Bedingungen verstattet, indessen daß doch ihre Wirkung in der Reihe der Erscheinungen anfängt, aber darin niemals einen schlechthin ersten Anfang ausmachen kan.

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 Um das regulative Princip der Vernunft durch ein Beispiel aus dem empirischen Gebrauch desselben zu erläutern, nicht um es zu bestätigen, (denn dergleichen Beweise sind zu transscendentalen Behauptungen untauglich), so nehme man eine willkührliche Handlung, z. E. eine boshafte Lüge, durch die ein Mensch eine gewisse Verwirrung in die Gesellschaft gebracht hat, und die man zuerst ihren Bewegursachen nach, woraus sie entstanden, untersucht und darauf beurtheilt, wie sie samt ihren Folgen ihm zugerechnet werden können. In der ersten Absicht geht man seinen empirischen Character bis zu den Quellen desselben durch, die man in der schlechten Erziehung, übler Gesellschaft, zum Theil auch in der Bösartigkeit, eines vor Beschämung unempfindlichen Naturels, aufsucht, zum Theil auf den Leichtsinn und Unbesonnenheit schiebt; wobey man denn die veranlassende Gelegenheitsursachen nicht aus der Acht läßt. In allem diesem verfährt man, wie überhaupt in Untersuchung der Reihe bestimmender Ursachen zu einer gegebenen Naturwirkung. Ob man nun gleich

die
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 554. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_554.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)