Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 592.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
592 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 592
Des dritten Hauptstücks
Vierter Abschnitt.
Von der
Unmöglichkeit eines ontologischen Beweises
vom Daseyn Gottes.

Man siehet aus dem bisherigen leicht: daß der Begriff eines absolutnothwendigen Wesens ein reiner Vernunftbegriff, d. i. eine blosse Idee sey, deren obiective Realität dadurch, daß die Vernunft ihrer bedarf, noch lange nicht bewiesen ist, welche auch nur auf eine gewisse, obzwar unerreichbare Vollständigkeit Anweisung giebt und eigentlich mehr dazu dient, den Verstand zu begränzen, als ihn auf neue Gegenstände zu erweitern. Es findet sich hier nun das Befremdliche und Widersinnische, daß der Schluß, von einem gegebenen Daseyn überhaupt auf irgend ein schlechthinnothwendiges Daseyn, dringend und richtig zu seyn scheint und wir gleichwol alle Bedingungen des Verstandes, sich einen Begriff von einer solchen Nothwendigkeit zu machen, gänzlich wider uns haben.

 Man hat zu aller Zeit von dem absolutnothwendigen Wesen geredet und sich nicht so wol Mühe gegeben, zu verstehen: ob und wie man sich ein Ding von dieser Art auch nur denken könne, als vielmehr dessen Daseyn zu beweisen. Nun ist zwar eine Nahmenerklärung von diesem Begriffe ganz leicht, daß es nemlich so etwas sey, dessen Nichtseyn unmöglich ist, aber man wird hiedurch um nichts

klüger,
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_592.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)