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598 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 598

ihr es nur. Gesteht ihr dagegen, wie es billiger maassen ieder Vernünftige gestehen muß, daß ein ieder Existenzialsatz synthetisch sey, wie wollet ihr denn behaupten, daß das Prädicat der Existenz sich ohne Widerspruch nicht aufheben lasse, da dieser Vorzug nur den analytischen, als deren Character eben darauf beruht, eigenthümlich zukomt.

 Ich würde zwar hoffen, diese grüblerische Argutation, ohne allen Umschweif, durch eine genaue Bestimmung des Begriffs der Existenz, zu nichte zu machen, wenn ich nicht gefunden hätte: daß die Illusion, in Verwechselung eines logischen Prädicats mit einem realen, (d. i. der Bestimmung eines Dinges) beinahe alle Belehrung ausschlage. Zum logischen Prädicate kan alles dienen, was man will, so gar das Subiect kan von sich selbst prädicirt werden; denn die Logik abstrahirt von allem Inhalte. Aber die Bestimmung ist ein Prädicat, welches über den Begriff des Subiects hinzukomt und ihn vergrössert. Sie muß also nicht in ihm schon enthalten seyn.

 Seyn ist offenbar kein reales Prädicat, d. i. ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzukommen könne. Es ist blos die Position eines Dinges, oder gewisser Bestimmungen an sich selbst. Im logischen Gebrauche ist es lediglich die Copula eines Urtheils. Der Satz: Gott ist allmächtig, enthält zwey Begriffe, die ihre Obiecte haben: Gott und Allmacht; das Wörtchen: ist, ist nicht noch ein Prädicat oben ein, sondern

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 598. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_598.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)