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616 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 616

heißt: ich kan das Zurückgehen zu den Bedingungen des Existirens niemals vollenden, ohne ein nothwendig Wesen anzunehmen, ich kan aber von demselben niemals anfangen.

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 Wenn ich zu existirenden Dingen überhaupt etwas Nothwendiges denken muß, kein Ding aber an sich selbst als nothwendig zu denken befugt bin, so folgt daraus unvermeidlich: daß Nothwendigkeit und Zufälligkeit nicht die Dinge selbst angehen und treffen müsse, weil sonst ein Widerspruch vorgehen würde, mithin keiner dieser beiden Grundsätze obiectiv sey, sondern sie allenfalls nur subiective Principien der Vernunft seyn können, nemlich einer Seits zu allem, was als existirend gegeben ist, etwas zu suchen, das nothwendig ist, d. i. niemals anderswo, als bey einer a priori vollendeten Erklärung aufzuhören, anderer Seits aber auch diese Vollendung niemals zu hoffen, d. i. nichts Empirisches als unbedingt anzunehmen, und sich dadurch fernerer Ableitung zu überheben. In solcher Bedeutung können beide Grundsätze als blos hevristisch und regulativ, die nichts, als das formale Interesse der Vernunft besorgen, ganz wol bey einander bestehen. Denn der eine sagt, ihr sollt so über die Natur philosophiren, als ob es zu allem, was zur Existenz gehört, einen nothwendigen ersten Grund gebe, lediglich um systematische Einheit in euer Erkentniß zu bringen, indem ihr einer solchen Idee, nemlich einem eingebildeten obersten Grunde, nachgeht: der andere aber warnet euch, keine

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 616. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_616.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)