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628 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 628

besizt. Denn die Prädicate von sehr grosser, von erstaunlicher, von unermeßlicher Macht und Treflichkeit geben gar keinen bestimten Begriff und sagen eigentlich nicht, was das Ding an sich selbst sey, sondern sind nur Verhältnißvorstellungen von der Grösse des Gegenstandes, den der Beobachter (der Welt) mit sich selbst und seiner Fassungskraft vergleicht und die gleich hochpreisend ausfallen, man mag den Gegenstand vergrössern, oder das beobachtende Subiect in Verhältniß auf ihn kleiner machen. Wo es auf Grösse (der Vollkommenheit) eines Dinges überhaupt ankomt, da giebt es keinen bestimten Begriff, als der, so die ganze mögliche Vollkommenheit begreift, und nur das All (omnitudo) der Realität ist im Begriffe durchgängig bestimt.

 Nun will ich nicht hoffen, daß sich iemand unterwinden solte, das Verhältniß der von ihm beobachteten Weltgrösse (nach Umfang so wol als Inhalt) zur Allmacht, der Weltordnung zur höchsten Weisheit, der Welteinheit zur absoluten Einheit des Urhebers etc. einzusehen. Also kan die Physicotheologie keinen bestimten Begriff von der obersten Weltursache geben und daher zu einem Princip der Theologie, welche wiederum die Grundlage der Religion ausmachen soll, nicht hinreichend seyn.

 Der Schritt zu der absoluten Totalität ist durch den empirischen Weg ganz und gar unmöglich. Nun thut man ihn doch aber im physischtheologischen Beweise. Welches

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Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_628.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)