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639 VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie. 639

nicht ausschlagen will, in iedem Versuche dieser Art den Fehlschluß aufzudecken und dadurch seine Anmassung zu vereiteln: so wird daher doch die Hoffnung besseren Glücks bey denen, welche einmal dogmatischer Ueberredungen gewohnt seyn, niemals völlig aufgehoben und ich halte mich daher an der einzigen billigen Foderung, daß man sich allgemein und aus der Natur des menschlichen Verstandes, samt allen übrigen Erkentnißquellen, darüber rechtfertige, wie man es anfangen wolle, sein Erkentniß ganz und gar a priori zu erweitern und bis dahin zu erstrecken, wo keine mögliche Erfahrung und mithin kein Mittel hinreicht, irgend einem von uns selbst ausgedachten Begriffe seine obiective Realität zu versichern. Wie der Verstand auch zu diesem Begriffe gelanget seyn mag, so kan doch das Daseyn des Gegenstandes desselben nicht analytisch in demselben gefunden werden, weil eben darin die Erkentniß der Existenz des Obiects besteht, daß dieses ausser dem Gedanken an sich selbst gesezt ist. Es ist aber gänzlich unmöglich, aus einem Begriffe von selbst hinaus zu gehen und, ohne daß man der empirischen Verknüpfung folgt, (wodurch aber iederzeit nur Erscheinungen gegeben werden), zu Entdeckung neuer Gegenstände und überschwenglicher Wesen zu gelangen.

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 Ob aber gleich die Vernunft in ihrem blos speculativen Gebrauche zu dieser so grossen Absicht bey weitem nicht zulänglich ist, nemlich zum Daseyn eines obersten Wesens zu gelangen, so hat sie doch darin sehr grossen

Nutzen,
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 639. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_639.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)