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647 VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie. 647

anzugebende besondere Fälle daraus abfolgen, wird auf die Allgemeinheit der Regel, aus dieser aber nachher auf alle Fälle, die auch an sich nicht gegeben sind, geschlossen. Diesen will ich den hypothetischen Gebrauch der Vernunft nennen.

 Der hypothetische Gebrauch der Vernunft aus zum Grunde gelegten Ideen, als problematischer Begriffe, ist eigentlich nicht constitutiv, nemlich nicht so beschaffen, daß dadurch, wenn man nach aller Strenge urtheilen will, die Wahrheit der allgemeinen Regel, die als Hypothese angenommen worden, folge; denn, wie will man alle mögliche Folgen wissen, die, indem sie aus demselben angenommenen Grundsatze folgen, seine Allgemeinheit beweisen, sondern er ist nur regulativ, um dadurch, so weit als es möglich ist, Einheit in die besondere Erkentnisse zu bringen und die Regel dadurch der Allgemeinheit zu näheren.

 Der hypothetische Vernunftgebrauch geht also auf die systematische Einheit der Verstandeserkentnisse, diese aber ist der Probierstein der Wahrheit der Regeln. Umgekehrt ist die systematische Einheit (als blosse Idee) lediglich nur proiectirte Einheit, die man an sich nicht als gegeben, sondern nur als Problem ansehen muß, welche aber dazu dient, zu dem Mannigfaltigen und besonderen Verstandesgebrauche ein Principium zu finden und diesen dadurch auch über die Fälle, die nicht gegeben sind, zu leiten und zusammenhängend zu machen.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 647. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_647.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)