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667 VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie. 667

derselben glaubt sein Urtheil aus der Einsicht des Obiects zu haben und gründet es doch lediglich auf der grösseren oder kleineren Anhänglichkeit an einen von beiden Grundsätzen, deren keine auf obiectiven Gründen beruht, sondern nur auf dem Vernunftinteresse, und die daher besser Maximen als Principien genant werden könten. Wenn ich einsehende Männer mit einander wegen der Characteristik der Menschen, der Thiere oder Pflanzen, ia selbst der Cörper des Mineralreichs im Streite sehe, da die einen z. B. besondere und in der Abstammung gegründete Volkscharactere, oder auch entschiedene und erbliche Unterschiede der Familien, Racen u. s. w. annehmen, andere dagegen ihren Sinn darauf setzen, daß die Natur in diesem Stücke ganz und gar einerley Anlagen gemacht habe und aller Unterschied nur auf äusseren Zufälligkeiten beruhe, so darf ich nur die Beschaffenheit des Gegenstandes in Betrachtung ziehen, um zu begreifen, daß er vor beide viel zu tief verborgen liege, als daß sie aus Einsicht in die Natur des Obiects sprechen könten. Es ist nichts anderes, als das zwiefache Interesse der Vernunft, davon dieser Theil das eine, iener das andere zu Herzen nimt, oder auch affectirt, mithin die Verschiedenheit der Maximen der Naturmannigfaltigkeit, oder der Natureinheit, welche sich gar wol vereinigen lassen, aber so lange sie vor obiective Einsichten gehalten werden, nicht allein Streit, sondern auch Hindernisse veranlassen, welche die Wahrheit lange aufhalten, bis ein Mittel gefunden wird, das

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_667.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)