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668 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 668

strittige Interesse zu vereinigen und die Vernunft hierüber zufrieden zu stellen.

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 Eben so ist es mit der Behauptung, oder Anfechtung des so berufenen, von Leibnitz in Gang gebrachten und durch Bonnet treflich aufgestutzten Gesetzes der continuirlichen Stufenleiter der Geschöpfe bewandt, welche nichts als eine Befolgung des auf dem Interesse der Vernunft beruhenden Grundsatzes der Affinität ist; denn Beobachtung und Einsicht in die Einrichtung der Natur konte es gar nicht als obiective Behauptung an die Hand geben. Die Sprossen einer solchen Leiter, so wie sie uns Erfahrung angeben kan, stehen viel zu weit aus einander und unsere vermeintlichkleine Unterschiede sind gemeiniglich in der Natur selbst so weite Klüfte, daß auf solche Beobachtungen (vornemlich bey einer grossen Mannigfaltigkeit von Dingen, da es immer leicht seyn muß, gewisse Aehnlichkeiten und Annäherungen zu finden), als Absichten der Natur gar nichts zu rechnen ist. Dagegen ist die Methode, nach einem solchen Princip Ordnung in der Natur aufzusuchen, und die Maxime, eine solche, obzwar unbestimt wo, oder wie weit, in einer Natur überhaupt als gegründet anzusehen, allerdings ein rechtmässiges und trefliches regulatives Princip der Vernunft, welches aber, als ein solches, viel weiter geht, als daß Erfahrung oder Beobachtung ihr gleich kommen könte, doch ohne etwas zu bestimmen, sondern ihr nur zur systematischen Einheit den Weg vorzuzeichnen.


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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 668. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_668.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)