Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 701.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
701 VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie. 701

die Naturbetrachtung anzustellen. Es ist aber, unter dieser Vorstellung, der zum Grunde gelegten Idee eines höchsten Urhebers, auch klar: daß ich nicht das Daseyn und die Kentniß eines solchen Wesens, sondern nur die Idee desselben zum Grunde lege und also eigentlich nichts von diesem Wesen, sondern blos von der Idee desselben, d. i. von der Natur der Dinge der Welt, nach einer solchen Idee, ableite. Auch scheint ein gewisses, obzwar unentwickeltes Bewustseyn, des ächten Gebrauchs dieses unseren Vernunftbegriffs, die bescheidene und billige Sprache der Philosophen aller Zeiten veranlaßt zu haben, da sie von der Weisheit und Vorsorge der Natur und der göttlichen Weisheit, als gleichbedeutenden Ausdrücken, reden, ia den ersteren Ausdruck, so lange es um blos speculative Vernunft zu thun ist, vorziehen, weil er die Anmassung einer grösseren Behauptung, als die ist, wozu wir befugt seyn, zurück hält und zugleich die Vernunft auf ihr eigenthümliches Feld, die Natur, zurück weiset.

.

 So enthält die reine Vernunft, die uns Anfangs nichts Geringeres, als Erweiterung der Kentnisse über alle Gränzen der Erfahrung, zu versprechen schiene, wenn wir sie recht verstehen, nichts als regulative Principien, die zwar grössere Einheit gebieten, als der empirische Verstandesgebrauch erreichen kan, aber eben dadurch, daß sie das Ziel der Annäherung desselben so weit hinaus rücken,

die
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 701. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_701.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)