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703 VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie. 703

über die wirkliche Erfahrung hinaus erweitern können, in der transscendentalen Analytik hinreichend überzeugt: daß sie niemals zu etwas mehr, als einer möglichen Erfahrung leiten können und, wenn man nicht selbst gegen die kläreste oder abstracte und allgemeine Lehrsätze mißtrauisch wäre, wenn nicht reitzende und scheinbare Aussichten uns locketen, den Zwang der ersteren abzuwerfen, so hätten wir allerdings der mühsamen Abhörung aller dialectischen Zeugen, die eine transscendente Vernunft zum Behuf ihrer Anmassungen auftreten läßt, überhoben seyn können; denn wir wußten es schon zum voraus mit völliger Gewißheit: daß alles Vorgeben derselben zwar vielleicht ehrlich gemeint, aber schlechterdings nichtig seyn müsse, weil es eine Kundschaft betraf, die kein Mensch iemals bekommen kan. Allein, weil doch des Redens kein Ende wird, wenn man nicht hinter die wahre Ursache des Scheins komt, wodurch selbst der Vernünftigste hintergangen werden kan und die Auflösung aller unserer transscendenten Erkentniß in ihre Elemente (als ein Studium unserer inneren Natur) an sich selbst keinen geringen Werth hat, dem Philosophen aber so gar Pflicht ist, so war es nicht allein nöthig, diese ganze, obzwar eitele Bearbeitung der speculativen Vernunft bis zu ihren ersten Quellen ausführlich nachzusuchen, sondern, da der dialectische Schein hier nicht allein dem Urtheile nach täuschend, sondern auch dem Interesse nach, das man hier am Urtheile nimt, anlockend

lockend
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 703. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_703.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)