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716 Methodenlehre I. Hauptst. I. Absch. 716

solchen, die sie a priori darstellet, d. i. construiret hat, und in welcher dasienige, was aus den allgemeinen Bedingungen der Construction folgt, auch von dem Obiecte des construirten Begriffs allgemein gelten muß.

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 Man gebe einem Philosophen den Begriff eines Triangels und lasse ihn nach seiner Art ausfündig machen, wie sich wol die Summe seiner Winkel zum rechten verhalten möge. Er hat nun nichts als den Begriff von einer Figur, die in drey geraden Linien eingeschlossen ist, und an ihr den Begriff von eben so viel Winkeln. Nun mag er diesem Begriffe nachdenken, so lange er will, er wird nichts Neues heraus bringen. Er kan den Begriff der geraden Linie, oder eines Winkels, oder der Zahl drey zergliedern und deutlich machen, aber nicht auf andere Eigenschaften kommen, die in diesen Begriffen gar nicht liegen. Allein der Geometer nehme diese Frage vor. Er fängt sofort davon an, einen Triangel zu construiren. Weil er weis, daß zwey rechte Winkel zusammen gerade so viel austragen, als alle berührende Winkel, die aus einem Puncte auf einer graden Linie gezogen werden können, zusammen, so verlängert er eine Seite seines Triangels und bekomt zwey berührende Winkel, die zweien rechten zusammen gleich seyn. Nun theilet er den äusseren von diesen Winkeln, indem er eine Linie mit der gegenüberstehenden Seite des Triangels parallel zieht, und sieht, daß hier ein äusserer berührender Winkel entspringe, der einem inneren gleich ist, u. s. w. Er gelangt auf solche Weise durch eine

Kette
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 716. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_716.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)