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725 Die Disciplin der reinen Vernunft im dogm. etc. 725

bringt, die sie a priori geben kan und wodurch sie, so zu reden, Meister über die Natur wird: da hingegen reine Philosophie mit discursiven Begriffen a priori in der Natur herum pfuscht, ohne die Realität derselben a priori anschauend und eben dadurch beglaubigt machen zu können. Auch scheint es den Meistern in dieser Kunst an dieser Zuversicht zu sich selbst und dem gemeinen Wesen an grossen Erwartungen von ihrer Geschicklichkeit, wenn sie sich einmal hiemit befassen solten, gar nicht zu fehlen. Denn da sie kaum iemals über ihre Mathematik philosophirt haben, (ein schweres Geschäfte), so komt ihnen der specifische Unterschied des einen Vernunftgebrauchs von dem andern gar nicht in Sinn und Gedanken. Gangbare und empirisch gebrauchte Regeln, die sie von der gemeinen Vernunft borgen, gelten ihnen denn statt Axiomen. Wo ihnen die Begriffe von Raum und Zeit, womit sie sich (als den einzigen ursprünglichen Quantis) beschäftigen, herkommen mögen, daran ist ihnen gar nichts gelegen und eben so scheint es ihnen unnütz zu seyn, den Ursprung reiner Verstandesbegriffe und hiemit auch den Umfang ihrer Gültigkeit zu erforschen, sondern nur sich ihrer zu bedienen. In allem diesen thun sie ganz recht, wenn sie nur ihre angewiesene Gränze, nemlich die der Natur nicht überschreiten. So aber gerathen sie unvermerkt, von dem Felde der Sinnlichkeit, auf den unsicheren Boden reiner und selbst transscendentaler Begriffe, wo der Grund (instabilis tellus, innabilis unda) ihnen weder zu stehen,

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 725. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_725.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)