Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 757.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
757 Die Disciplin der reinen Vernunft im polem. etc. 757

durch keine Critik will mässigen lassen, ansieht, so ist doch wirklich kein anderer Rath, als der Großsprecherey auf einer Seite, eine andere, welche auf eben dieselbe Rechte fusset, entgegen zu setzen, damit die Vernunft durch den Widerstand eines Feindes wenigstens nur stutzig gemacht werde, um in ihre Anmassungen einigen Zweifel zu setzen, und der Critik Gehör zu geben. Allein es bey diesen Zweifeln gänzlich bewenden zu lassen und es darauf auszusetzen, die Ueberzeugung und das Geständniß seiner Unwissenheit, nicht blos als ein Heilmittel wider den dogmatischen Eigendünkel, sondern zugleich als die Art, den Streit der Vernunft mit sich selbst zu beendigen, empfehlen zu wollen, ist ein ganz vergeblicher Anschlag und kan keinesweges dazu tauglich seyn, der Vernunft einen Ruhestand zu verschaffen, sondern ist höchstens nur ein Mittel, sie aus ihrem süssen dogmatischen Traume zu erwecken, um ihren Zustand in sorgfältigere Prüfung zu ziehen. Da indessen diese sceptische Manier, sich aus einem verdrießlichen Handel der Vernunft zu ziehen, gleichsam der kurze Weg zu seyn scheint, zu einer beharrlichen philosophischen Ruhe zu gelangen, wenigstens die Heeresstrasse, welche dieienigen gern einschlagen, die sich in einer spöttischen Verachtung aller Nachforschungen dieser Art ein philosophisches Ansehen zu geben meinen, so finde ich es nöthig, diese Denkungsart in ihrem eigenthümlichen Lichte darzustellen.


Von Bbb 3 Von
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_757.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)