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763 Die Disciplin der reinen Vernunft im polem. etc. 763

sind alle Behauptungen der lezten blindlings gewagt. Und auf solche Weise wäre ein durchgängiger Zweifel an alle dogmatische Philosophie, die ohne Critik der Vernunft selbst ihren Gang geht, ganz wol gegründet; allein darum könte doch der Vernunft nicht ein solcher Fortgang, wenn er durch bessere Grundlegung vorbereitet und gesichert würde, gänzlich abgesprochen werden. Denn, einmal liegen alle Begriffe, ia alle Fragen, welche uns die reine Vernunft vorlegt, nicht etwa in der Erfahrung, sondern selbst wiederum nur in der Vernunft und müssen daher können aufgelöset und ihrer Gültigkeit oder Nichtigkeit nach begriffen werden. Wir sind auch nicht berechtigt, diese Aufgaben, als läge ihre Auflösung wirklich in der Natur der Dinge, doch unter dem Vorwande unseres Unvermögens abzuweisen und uns ihrer weiteren Nachforschung zu weigern, da die Vernunft in ihrem Schoße allein diese Ideen selbst erzeugt hat, von deren Gültigkeit oder dialectischen Scheine sie also Rechenschaft zu geben gehalten ist.

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 Alles sceptische Polemisiren ist eigentlich nur wider den Dogmatiker gekehrt, der, ohne ein Mißtrauen auf seine ursprüngliche obiective Principien zu setzen, d. i. ohne Critik gravitätisch seinen Gang fortsezt, blos um ihm das Concept zu verrücken und zur Selbsterkentniß zu bringen. An sich macht sie in Ansehung dessen, was wir wissen und was wir dagegen nicht wissen können, ganz und gar nichts aus. Alle fehlgeschlagene dogmatische Versuche

der
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 763. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_763.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)