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768 Methodenlehre I. Hauptst. II. Absch. 768

beruhen, die eine nothwendige Entsagung auf das Recht dogmatischer Behauptungen bewirken könten.

 Da er auch zwischen den gegründeten Ansprüchen des Verstandes und den dialectischen Anmassungen der Vernunft, wider welche doch hauptsächlich seine Angriffe gerichtet sind, keinen Unterschied kent: so fühlt die Vernunft, deren ganz eigenthümlicher Schwung hiebey nicht im mindesten gestöhret, sondern nur gehindert worden, den Raum zu ihrer Ausbreitung nicht verschlossen und kan von ihren Versuchen, unerachtet sie hie oder da gezwackt wird, niemals gänzlich abgebracht werden. Denn wider Angriffe rüstet man sich zur Gegenwehr und sezt noch um desto steifer seinen Kopf drauf, um seine Foderungen durchzusetzen. Ein völliger Ueberschlag aber seines ganzen Vermögens und die daraus entspringende Ueberzeugung der Gewißheit eines kleinen Besitzes, bey der Eitelkeit höherer Ansprüche, hebt allen Streit auf und bewegt, sich an einem eingeschränkten, aber unstrittigen Eigenthume friedfertig zu begnügen.

 Wider den uncritischen Dogmatiker, der die Sphäre seines Verstandes nicht gemessen, mithin die Gränzen seiner möglichen Erkentniß nicht nach Principien bestimt hat, der also nicht schon zum voraus weis, wie viel er kan, sondern es durch blosse Versuche ausfindig zu machen denkt, sind diese sceptische Angriffe nicht allein gefährlich, sondern ihm sogar verderblich. Denn, wenn er auf einer einzigen Behauptung betroffen wird, die er nicht rechtfertigen,

gen,
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 768. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_768.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)