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770 Methodenlehre I. Hauptst. III. Absch. 770

 Wo nicht etwa Einbildungskraft schwärmen, sondern, unter der strengen Aufsicht der Vernunft, dichten soll, so muß immer vorher etwas völlig gewiß und nicht erdichtet, oder blosse Meinung seyn, und das ist die Möglichkeit des Gegenstandes selbst. Alsdenn ist es wol erlaubt, wegen der Wirklichkeit desselben, zur Meinung seine Zuflucht zu nehmen, die aber, um nicht grundlos zu seyn, mit dem, was wirklich gegeben und folglich gewiß ist, als Erklärungsgrund in Verknüpfung gebracht werden muß und alsdenn Hypothese heißt.

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 Da wir uns nun von der Möglichkeit der dynamischen Verknüpfung a priori nicht den mindesten Begriff machen können und die Categorie des reinen Verstandes nicht dazu dient, dergleichen zu erdenken, sondern nur, wo sie in der Erfahrung angetroffen wird, zu verstehen: so können wir nicht einen einzigen Gegenstand, nach einer neuen und empirisch nicht anzugebenden Beschaffenheit, diesen Categorien gemäß, ursprünglich aussinnen und sie einer erlaubten Hypothese zum Grunde legen; denn dieses hiesse, der Vernunft leere Hirngespinste, statt der Begriffe von Sachen, unterzulegen. So ist es nicht erlaubt, sich irgend neue ursprüngliche Kräfte zu erdenken, z. B. einen Verstand, der vermögend sey, seinen Gegenstand ohne Sinne anzuschauen, oder eine Anziehungskraft ohne alle Berührung, oder eine neue Art Substanzen, z. B. die ohne Undurchdringlichkeit im Raume gegenwärtig wäre, folglich auch keine Gemeinschaft der Substanzen, die von aller derienigen unterschieden

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 770. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_770.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)