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787 Die Disciplin d. r. Vernunft in Beweisen. 787

und, ob ihr gleich das Blendwerk derselben noch nicht durchdringen könt, so habt ihr doch völliges Recht, die Deduction der darin gebrauchten Grundsätze zu verlangen, welche, wenn sie aus blosser Vernunft entsprungen seyn sollen, euch niemals geschaffet werden kan. Und so habt ihr nicht einmal nöthig, euch mit der Entwickelung und Widerlegung eines ieden grundlosen Scheins zu befassen, sondern könt alle an Kunstgriffen unerschöpfliche Dialectik am Gerichtshofe einer critischen Vernunft, welche Gesetze verlangt, in ganzen Haufen auf einmal abweisen.

 Die zweite Eigenthümlichkeit transscendentaler Beweise ist diese: daß zu iedem transscendentalen Satze nur ein einziger Beweis gefunden werden könne. Soll ich nicht aus Begriffen, sondern aus der Anschauung, die einem Begriffe correspondirt, es sey nun eine reine Anschauung, wie in der Mathematik, oder empirische, wie in der Naturwissenschaft, schliessen: so giebt mir die zum Grunde gelegte Anschauung mannigfaltigen Stoff zu synthetischen Sätzen, welchen ich auf mehr als eine Art verknüpfen und, indem ich von mehr wie einem Puncte ausgehen darf, durch verschiedene Wege zu demselben Satze gelangen kan.

 Nun geht aber ein ieder transscendentaler Satz blos von einem Begriffe aus und sagt die synthetische Bedingung der Möglichkeit des Gegenstandes nach diesem Begriffe. Der Beweisgrund kan also nur ein einziger seyn, weil ausser diesem Begriffe nichts weiter ist, wodurch der

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 787. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_787.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)