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789 Die Disciplin d. r. Vernunft in Beweisen. 789

der Begriffe vom realesten und nothwendigen Wesen beruht und nirgend anders gesucht werden kan.

 Durch diese warnende Anmerkung wird die Critik der Vernunftbehauptungen sehr ins kleine gebracht. Wo Vernunft ihr Geschäfte durch blosse Begriffe treibt, da ist nur ein einziger Beweis möglich, wo überall nur irgend einer möglich ist. Daher, wenn man schon den Dogmatiker mit zehn Beweisen auftreten sieht, da kan man sicher glauben, daß er gar keinen habe. Denn hätte er einen, der (wie es in Sachen der reinen Vernunft seyn muß) apodictisch bewiese, wozu bedürfte er der übrigen. Seine Absicht ist nur, wie die von ienem Parlamentsadvocaten: das eine Argument ist vor diesen, das andere vor ienen, nemlich, um sich die Schwäche seiner Richter zu Nutze zu machen, die, ohne sich tief einzulassen und, um von dem Geschäfte bald loszukommen, das Erstebeste, was ihnen eben auffält, ergreifen und darnach entscheiden.

 Die dritte eigenthümliche Regel der reinen Vernunft, wenn sie in Ansehung transscendentaler Beweise einer Disciplin unterworfen wird, ist: daß ihre Beweise niemals apogogisch, sondern iederzeit ostensiv seyn müssen. Der directe oder ostensive Beweis ist in aller Art der Erkentniß derienige, welcher mit der Ueberzeugung von der Wahrheit, zugleich Einsicht in die Quellen derselben verbindet, der apogogische dagegen kan zwar Gewißheit, aber nicht Begreiflichkeit der Wahrheit in Ansehung des Zusammenhanges mit den Gründen ihrer Möglichkeit hervorbringen.

Daher Ddd 3 Daher
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 789. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_789.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)