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825 Vom Meinen, Wissen und Glauben. 825

allererst inne, was er vorher nicht bemerkte, daß es nemlich doch wol möglich sey, er habe sich geirrt. Wenn man sich in Gedanken vorstellt: man solle worauf das Glück des ganzen Lebens verwetten, so schwindet unser triumphirendes Urtheil gar sehr, wir werden überaus schüchtern und entdecken so allererst, daß unser Glaube so weit nicht zulange. So hat der pragmatische Glaube nur einen Grad, der nach Verschiedenheit des Interesse, das dabey im Spiele ist, groß oder auch klein seyn kan.

 Weil aber, ob wir gleich in Beziehung auf ein Obiect gar nichts unternehmen können, also das Vorwahrhalten blos theoretisch ist, wir doch in vielen Fällen eine Unternehmung in Gedanken fassen und uns einbilden können, zu welcher wir hinreichende Gründe zu haben vermeinen, wenn es ein Mittel gäbe, die Gewißheit der Sache auszumachen, so giebt es in blos theoretischen Urtheilen ein Analogon von practischen, auf deren Vorwahrhaltung das Wort Glauben paßt, und den wir den doctrinalen Glauben nennen können. Wenn es möglich wäre, durch irgend eine Erfahrung auszumachen, so möchte ich wol alles das Meinige darauf verwetten: daß es wenigstens in irgend einem von den Planeten, die wir sehen, Einwohner gebe. Daher sage ich, ist es nicht blos Meinung, sondern ein starker Glaube (auf dessen Richtigkeit ich schon viele Vortheile des Lebens wagen würde), daß es auch Bewohner anderer Welten gebe.

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 825. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_825.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)